Gäubote Bote 28.10.2002

Erste Ausstellung des Kulturkreises Jettingen in der Brunnenstraße:
Abstrakte Kompositionen und Gegenständliches mit Blumen
Gegensätzliches und Verbindendes in der Malerei

Zwei Malerinnen aus Jettingen, die verschiedener nicht sein könnten, hat der Kulturkreis Jettingen für seine erste Ausstellung in der Brunnenstraße auserkoren: Sonja Schulz zeigt abstrakte Kompositionen aus der jüngsten Schaffensphase, Ilse Wörösch eine Schau auf ihre gegenständliche Malerei, die sich in drei Jahren nach einer schweren Krankheit entwickelt hat, wobei Blumenmotive den Schwerpunkt bilden.
VON GABRIELE PFAUS-SCHILLER


Beide haben den ihnen angemessenen Raum für ihre Bilder gewählt: Die vorwiegend in herbstlichen und erdigen Farben gefertigten Werke von Sonja Schulz entfalten ihre verhaltene Dynamik im großen, angenehm schlichten und offenen Raum im Erdgeschoss, der sich als geradezu ideal für eine Ausstellung erweist. In den oberen kleinen Räumen wetteifern Ese Wöröschs Blumen und Tiere mit dem neu hergerichteten Fachwerk des alten Hofes um die Aufmerksamkeit des Betrachters. Das lenkt etwas ab, hinzu kommt, dass diese Bilder es schwer haben, die gewonnene Aufmerksamkeit zu halten. Ilse Wörösch hat zwar als Kind immer gern gemalt und in der Schule auch immer eine "Eins" bekommen, doch eine Entwicklung im künstlerischen Bereich erfordert nun mal jahrelanges Suchen und Fragen, und damit hat sie gerade erst begonnen.
Sie liefert ein möglichst getreues Abbild von Natur und gebauter Umwelt, das häufig zur Idylle gerät. Sie huldigt der filigranen Formensprache von Blüten und Tierfellen, dabei auch der positiven Kraft von Farben. Aquarell- und Acrylfarben, Ölund Pastellkreiden sowie Tusche kommen in einer eher grafischen Vorgehensweise zum Einsatz, mit genauem und sensiblem Strich arbeitet sie das Wesenhafte von Pflanze und Tier heraus. Bei den Blumenbildern bleibt die Frage im Raum stehen: "Was wollen sie mir sagen? Zwar erblühen sie plastisch und "echt", doch gerät über der Genauigkeit und Erkennbarkeit das Wesen des Gemalten in den Hintergrund. Vor dem Hintergrund einer mit Hilfe der Malerei überwundenen Krankheit wird deutlich: Die Bilder wollen frohe Botschaft sein, wollen positive Stimmung vermitteln. Sie sind Zeichen des gefundenen Ausgleichs einer Malerin, die ihre Bilder lange im Kopf mit sich herumträgt, bevor sie aufs Papier gelangen. Manche Bilder transportieren bestimmte Botschaften: So zeigt sie ein Stadtbild mit Wolkenkratzer und exotischen Bewohnern, also Löwe, Zebra und anderes, nur die Menschen fehlen - sind sie ausgestorben oder in ihren Wohnkästen eingesperrt?
Bei Sonja Schulz möchte man sich den Werdegang eines Bildes ganz anders vorstellen: Hier werden die Rohstoffe für das Bild nicht im Kopf gelagert, sondern als Materialien sichtbar, die aus vielerlei Lebensbereichen stammen und im Sog einer großen Experimentierfreude direkt auf Papier oder Leinwand gelangen. In jedem Bild werden ein oder mehrere Rechtecke zum Bezugspunkt für den Betrachter - und sie scheinen auch der Ausgangspunkt beim Malen zu sein. Das gibt der Bilderschau eine gewisse Zuverlässigkeit, die eine gelegentlich überbordende Lust am Zusammenfügen sehr unterschiedlicher. Materialien und Techniken auszugleichen vermag. Formen werden aufgebaut und zusammengebracht. Sie werden umspielt, überlagert und verdichtet, indem Farbschichten aufeinander folgen, Gipsbinden, FilmnegativStreifen, Bedrucktes und Gedrucktes sowie weitere Farbschichten hinzugefügt werden.
Sie werden mit Pigmentspuren oder mit scharfen Linien eingefasst, oft schafft Sonja Schulz Verbindungen zwischen den Flächen. Dies geschieht durch gemeinsame Randzonen, an anderer Stelle durch "Drippings", also über das Bild gezogene, sich verwickelnde und verknäuelte Fäden aus Farblack. Die Formen geraten in einen Zusammenhang, der den Betrachter ein lädt, über den Eindruck von Farbe und Struktur hinauszuschauen und den Zusammenhängen der Bildelemente nachzuspüren, Sonja Schulz malt seit zehn Jahren
und hat verschiedene Kurse absolviert, auch ein künstlerisches Jahr in Rottenburg. Ein recht geübter Umgang mit Farbe und Form zeigt sich auch bei ihren Holzdrucken, in denen sie einfache Formelemente zu einem spannenden Bildaufbau zusammenbringt.
Dass sie auf das Abbilden sichtbarer Vorbilder verzichtet, macht ihre Werke offener für die Kommunikation mit dem Betrachter: Da bleibt Raum für das wandernde, erkundende Auge, für die eigenen Phantasien und Deutungen.